Das Wahrzeichen des Westerwaldes ist Vogel des Jahres 2023
Das Braunkehlchen wurde in Deutschland und Österreich zum Vogel des Jahres 2023 gewählt. Das einstige Wahrzeichen des Westerwaldes ist heute akut vom Aussterben bedroht.
Das Braunkehlchen - Repräsentant bunter, vitaler Wiesen
Das Braunkehlchen ist der Charaktervogel der letzten großflächigen bunten Wiesen des Westerwaldes. Der Singvogel repräsentiert also Grünland mit einer artenreichen Fauna und Flora. Die Wiesen sollten über Brachflächen und Ansitze verfügen sowie wechselfeucht und kleinräumig strukturiert sein.
Ankunft im Westerwald
Das Braunkehlchen ist ein Zugvogel, der etwa Mitte April aus den Überwinterungsgebieten im (sub-) tropischen Afrika in die Brutreviere im hohen Westerwald zurückkehrt. Mit der Ankunft machen die Männchen mit einem kraftvollen, melodiösen und ein wenig melancholisch anmutenden Gesang auf sich aufmerksam. Dieser wird von Sitzwarten, wie Büschen, Stauden oder Weidepfählen vorgetragen. Mit Gesang werden Weibchen angelockt und das Revier gegenüber den Nachbarn abgegrenzt.
Nestbau und Brutzeit
In geeigneten Brutgebieten beginnen die Weibchen ab Anfang Mai mit dem Nestbau. Das mit Moos gepolsterte Nest wird am Boden in dichte Wiesenvegetation gebaut. Das Weibchen brütet in etwa zwei Wochen vier bis sieben Eier aus. In der Regel findet eine Jahresbrut statt. Wenn ein Gelege zeitig verloren geht, beginnen die Singvögel mit einer Nachbrut.
Aufzucht der Jungen
Nach dem Schlüpfen der Jungen versorgen beide Altvögel die Jungen mit Nahrung. Braunkehlchen ernähren sich hauptsächlich von Insekten. Die Jungen werden je nach Alter mit unterschiedlich großen Grashüpfern, Raupen, Schmetterlingen und Spinnen gefüttert. Nach etwa zweiwöchiger hochfrequenter Fütterung werden die Jungvögel flügge. Dieser Brutabschnitt stellt für die Elterntiere vermutlich die energieaufwändigste Phase dar.
Die letzten Tage vor der ersten großen Reise
Die jungen Braunkehlchen vollziehen dank der protein- und damit energiereichen Insektennahrung eine rasante Entwicklung. Wohlgenährt und stark werden die Jungvögel nur noch kurze Zeit in den Westerwälder Wiesengebieten versorgt, ehe sie sich Anfang August auf die erste große Reise begeben. Diese wird sie über ein Meer und eine gigantische Wüste in die viele tausend Kilometer entfernten afrikanischen Savannen führen.
Der Westerwald - einstiger Verbreitungsschwerpunkt des Braunkehlchens
Der Westerwald galt noch Anfang der neunziger Jahre als der bundesweite Verbreitungsschwerpunkt des Braunkehlchens. Die Attraktivität des Westerwaldes für den kleinen Wiesenschmätzer begründete sich vor allem in geologischen Besonderheiten, den großräumigen Wiesenlandschaften sowie einer historisch gewachsenen, kleinparzellierten und extensiven Wiesennutzung.
Der vorhersehbare Niedergang des Braunkehlchens im Westerwald
In den letzten 40 Jahren wurden im Westerwald 90% des Brutbestands vernichtet. Heute können nur noch in wenigen Wiesengebieten des Hohen Westerwaldes maximal 150 Paare einen Platz zum Überleben finden. Die Westerwald-Population des Braunkehlchens hängt damit am seidenen Faden.
Das Aussterben des Braunkehlchens als Folge von Gift, Gülle, Massentierhaltung & Nutztierleid
Das Aussterben des Braunkehlchens ist umfassend wissenschaftlich untersucht und die Gründe liegen eindeutig in den Veränderungen der Landnutzung im Westerwald. Kurz gefasst: Kleinbäuerliche Betriebe verschwanden und heute tränken Agrarindustrielle das Land mit krebserregenden Giften und Gülle; die einstigen Blumenwiesen wurden großräumig in Maisäcker umgebrochen oder als Silagewiesen bis zu viermal im Jahr gemäht. Kühe werden heute in gigantischen Ställen mit 800 und mehr Tieren interniert. Die gequälten Tiere sehen niemals eine Wiese oder das Sonnenlicht. Wenn im Westerwald bereits Anfang Mai ca. 3/4 der verbliebenen Wiesen innerhalb weniger Tage gemäht werden, hat nicht nur das Braunkehlchen keine Überlebenschance. Diese Entwicklungen sind kein Zufall, sondern das Ergebnis einer politisch gewollten Agrarförderung. Diese Subventionen unterstützen gezielt die Gewinnmaximierung von agrarindustriellen Großunternehmen sowie Chemie- und (Gen-)Saatgutkonzernen. Die einhergehende Zerstörung von Lebensgrundlagen und die Beeinträchtigung der Gesundheit von Menschen und Tieren ist dabei bekannt und wird billigend in Kauf genommen.
Der Erhalt des Braunkehlchen im Westerwald liegt in unserer Hand
Das Braunkehlchen hat im Westerwald noch die einzigen Brutgebiete in Rheinland-Pfalz. Der kleine Singvogel ist eine zentrale Zielart des Europäischen Vogelschutzgebiets "Westerwald". Sein Aussterben im Westerwald wäre unsere Schuld - der Erhalt ist unsere europäische Verantwortung. Das rheinland-pfälzische Programm zum Schutz des Braunkehlchens ist viel zu klein dimensioniert. Die getroffenen Maßnahmen konnten bisher lediglich das Aussterben des Braunkehlchens verlangsamen. Damit verstößt die rheinland-pfälzische Landesregierung bereits über zwei Jahrzehnte gegen das Verschlechterungsverbot für Europäische Vogelschutzgebiete und die, von der Europäischen Union gebotene Verbesserung wird bis heute völlig außer Acht gelassen. Dabei wären vitale Wiesenlebensräume für das Braunkehlchen mit politischem Willen leicht zu fördern. Dazu müssen Bauern für gift- und güllefreies Wirtschaften, Brachstreifen sowie späte Mahden endlich eine faire Bezahlung und gezielte Förderung erhalten. Erschreckenderweise ist aktuell das Gegenteil der Fall, da das rheinland-pfälzische Programm 2023 ausläuft.
Der Schutz des Braunkehlchens - eine Investition in eine Zukunft mit Artenvielfalt und Gesundheit
Maßnahmen zum Schutz des Braunkehlchen sind eine Investition in die Artenvielfalt der Natur und die Gesundheit der Menschen und damit ein Gewinn für alle. Zahlreiche heute selten gewordene Tier- und Pflanzenarten teilen den Lebensraum des Braunkehlchens: v.l.n.r.: Wiesenpieper, Mädesüß-Perlmuttfalter, Schachbrettfalter, Bluthänfling, Neuntöter, Baldrian-Scheckenfalter, Goldener Scheckenfalter, Feldschwirl
Was kann ich tun, damit in Zukunft noch Braunkehlchen in bunten Wiesen fliegen werden?
- Machen Sie Druck auf die politischen Entscheidungsträger der rheinland-pfälzischen Landesregierung, damit diese endlich die Verpflichtungen zum Europäischen Artenschutz einhalten und die Schutzprogramme eine konsequente räumliche und zeitliche Ausweitung erfahren.
- Treten Sie einem Naturschutzverband bei, der die Bundesregierung endlich zur Förderung einer ökologischen gesundheitsverträglichen und nachhaltigen Landwirtschaft drängt
- Verzichten Sie auf Fleisch und Milchprodukte aus Massentierhaltung
- Unterstützen Sie Landwirte in der Region, die nachhaltige Heuwirtschaft und / oder Freilandhaltung von Kühen betreiben und auf das Tierwohl achten, kein Gift verwenden und die Wiesen nach dem 01.08. mähen.
Weitere Fotos, Berichte und Beiträge
- Weitere Fotos zum Braunkehlchen, den Begleitarten und dem Ökosystem:
Wiesen, Weiden, Offenlandschaften - wolfgangburenss Webseite! (naturfotokunst.de)